Musica est exercitium arithmeticae
occultum nescientis se numerare animi.

oder: Wie klingt die Gaußsche-Glockenkurve ?
Kontext: Experimentelle Musik zwischen Kunst und Naturwissenschaft
Wolf-Dieter Trüstedt (4)

Universität Ulm / Studium Generale / Montag 8. Dez. 2014 18:30 Uhr / Hörsaal H13
Öffentliche Art-Lecture - kostenfrei

Die Gaußsche Glockenkurve (1) ist eine der berühmtesten mathematischen Formeln. Sie beschreibt die (z.B. zeitliche) Verteilung von Ereignissen, die schwach miteinander wechselwirken. Die Formel hat die Eulersche Zahl e als Basis mit dem negativen Exponenten x im Quadrat, d.h. sie ist symmetrisch zur y-Achse. Die "Schönheit" dieser Formel liegt in den geschwungenen Linien der Glocke - daher auch die Idee, daraus einen Klang - oder besser eine Musik - zu machen. In einem polymetrischen Verfahren werden die Werte (bei 13 konstanten Schritten) als Tonhöhen gedeutet, die von 13 Metronomen gespielt werden. Die Pulszeiten haben z.B. die Verhältnisse der Zahlenreihe 21 bis 33, d.h. sie sind ebenfalls polymetrisch. Die verwendeten Klänge kommen aus einem Synthesizer und einem Sample-Player.
Ein Musikbeispiel ist im Internet - siehe (2) - wiedergegeben - zum Einhören. Eine Schwierigkeit beim Hören: Alle Tonfolgen sind neu, d.h. unbekannt und können nicht in bekannte Wahrnehmungsmuster eingefügt werden.
Diskussionsthema ist auch die Frage nach der Musik. Es geht hier nicht um Melodien im üblichen Verständis, obwohl wir in dem Beispiel viele (kleine, aber wirklich schöne) Melodien hören und es geht auch nicht um konventionelle Rhythmik, obwohl viele rhythmische Strukturen ineinander greifen.
Die Musik wird vor Ort im Vortrag realisiert, vorgespielt und erklärt. Die Herstellungsverfahren sind für jeden nachvollziehbar und weiterentwickelbar - mit dem (kostenfreien) Programm PureData (3).


Die beiden Flanken der Gaußschen Glockekurve sind ineinander geschoben. (Unten: die Tastenfolge auf dem Laptop und rechts: die Frequenzen, analog zur Glockenkurve.

Und für die Latein-Interessierten unter den Zuhörern: der eingangs zitierte Satz ist von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der sich (als Vordenker der Aufklärung) u.a. für Philosophie, Arithmetik, Physik und Musik interessierte - vor über 300 Jahren.
:Musik ist eine verborgene Rechenkunst des seines Zählens unbewussten Geistes.

Literatur
(1) Mathematik, T. Arens et al., Spektrum Verlag, 2012, Seite 1347 > Die Normalverteilungsfamilie.
(1) Mathematische Grundlagen für das Lehramtstudium Physik, Franz Embacher, Vieweg + Teubner, 2011, Seite 343, Gaußverteilung.
(1) http://de.wikipedia.org/wiki/Normalverteilung
(2) http://luise37.de/2014/Vortrag-StudGen-UniUlm-02/033-Gausskurve-Anstieg-a3-Ton-u-Orgel-02.mp2
(3) http://puredata.info/downloads
(4) Dr. Wolf-Dieter Trüstedt, Lehraufträge an der Universität Ulm und der Hochschule für Musik und Theater München.